Die Reformation als Zeitalter von Lüge und Fake (2024)

Neue Serie „Shardlake“ führt ins England der Tudor-Zeit

Die Reformation als Zeitalter von Lüge und Fake

Die Reformation als Zeitalter von Lüge und Fake (1)

In St. Donatus geht ein Mörder um: Matthew Shardlake (Arthur Hughes, l.) und Jack Barak (Anthony Boyle) wurden von Thomas Cromwell ausgeschickt, den Täter dingfest zu machen. Szene aus der Serie "Shardlake".

Quelle: Adrienn Szabo

Katholisches Eigentum fällt im England des 16. Jahrhunderts an den Staat - König Heinrich VIII. will es so. In der Serie „Shardlake“ (ab 1. Mai) werden zwei „king‘s men“ ausgeschickt, den Mord in einem Kloster aufzuklären. Warum dazu alle naslang Engel singen müssen, weiß der Himmel.

Zeitenwende in England. König Heinrich VIII. fegt alles Katholische hinweg. Und für seine Ehefrauen erfindet er Wahrheiten, die ihm ihre Enthauptung gestatten – Bahn frei für die nächste Königin, die eigene Kirche, eine, die sich bei Scheidungen und Neuverheiratungen locker macht.

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Heinrich VIII. macht kurzen Prozess mit seinen Königinnen

Der Zuschauer betritt das England der Tudor-Zeit, man schreibt das Jahr 1536. Anne Boleyn, die zweite Gattin Heinrichs, ist eben erst hingerichtet worden. Der Anwalt Matthew Shardlake war bei der Exekution dabei. Im Kloster St. Donatus soll er einen Mord untersuchen, wo dem Opfer per Klinge der Kopf entfernt wurde. Er weiß, wonach er suchen muss.

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Der Protagonist der „Shardlake“-Romane von C. J. Sansom ist jetzt Held einer Serie geworden. Und Serienfans ist die Tudorzeit durch Michael Hirsts opulente BBC-Serie „Die Tudors“ (2007-2010), mit Jonathan Rhys Meyers als sinnlichem Henry wohl vertraut. Eine Serie, die „Shardlake“-Autor Sansom nicht sonderlich mag – zu viel Gemeinheit und viel zu viel Sex.

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Sex gibt es nur andeutungsweise in „Shardlake“, Gemeinheiten aber halten auch Sansoms Geschichten bereit. Ein Rechnungsprüfer der Krone ist in dem Kloster St. Donatus bei Scarnsea geköpft worden. Heinrichs Reformationskonstrukteur Thomas Cromwell (Sean Bean) sieht darin einen Akt mönchischen Widerstands.

Shardlake hat eine Rechnung mit der Kirche offen

Der durch einen Buckel gehandicapte Shardlake (Arthur Hughes) wird zusammen mit Cromwells leicht schnöseligem Adlatus Jack Barak (Anthony Boyle) an die Südküste geschickt, um den Mörder zu finden, und die Übergabe des Klosters an den Thron zu besiegeln. Die Benediktiner, denen in der Mordnacht auch noch ein wertvolles Relikt abhanden kam, sind nicht amüsiert über die Ermittlungen und die drohende Schließung.

Dann stürzt ein Novize in den Turmschacht, dem zuvor das Gift der Tollkirsche verabreicht worden war. Der schüchterne Simon hatte offenbar Hinweise für Shardlake parat. Und sein Leichnam ist nicht der letzte, der gefunden wird.

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Wollte Sansom auch gern einen Mönch vergiften?

Ob der Edinburgher Sansom - ein Fan von PD James und Ruth Rendell - wie Umberto Eco bei „Der Name der Rose“ von dem Gedanken beseelt war, einen Mönch zu vergiften, wissen wir nicht. Er sah jedoch die Zwangsauflösung der Klöster als packendes Backing für Mordgewese. Hughes und Boyle spielen jedenfalls ein einander anfangs herzlich abgeneigtes Detektivgespann, dem man gerne durch die finsteren Gemäuer und neblichten Landschaften dieser blutigen Winterauskehr folgt.

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Der oberflächlichere Barak will „Gerechtigkeit“, der gedankenvolle Shardlake die „Wahrheit“ - es dauert also, bis sie sich zusammenraufen. „Ich rieche Geheimnisse und Angst“, sagt Shardlake. Den Cromwell belehrt: „Wahrheit muss sein, was wir wollen, dass Wahrheit ist.“ Die Reformation als Zeitalter von Lüge und Fake. Ernüchternd für Shardlake.

Das heraufdämmernde Zeitalter des Wissens und Zweifelns und des Humanismus, das mit Furcht und Unsicherheiten über die untergehenden, keineswegs angenehmen Sicherheiten des Mittelalters einhergeht, spiegelt auch die derzeitige, Krisen- und Kriegsgegenwart wider. In den Shardlake-Romanen kommt der Wandel indes deutlicher zum Ausdruck als in der Verfilmung, in der dieser Sherlock des 16. Jahrhunderts die Verkörperung des Neuen ist. Shardlake hinterfragt, wo alles fragil ist – wo ein Wink der Macht Sein immer noch in Nichtsein verwandelt.

Regisseur Justin Chadwick ist mit Historienstücken gut vertraut – er drehte eine Hälfte der Folgen der Charles-Dickens-Serie „Bleak House“ (2005), die im 19. Jahrhundert spielt und begab sich für den Film „Tulpenfieber“ (2017) in die Niederlande des 17. Jahrhunderts. Die Interieurs und Kostüme in „Shardlake“ sind prächtig, gedreht wurde in der Nähe von Wien und in der Burg Hunedoara in Transsylvanien, die schon Bram Stoker zu seinem Roman „Dracula“ (1897) inspiriert haben soll. Alles sieht gut aus.

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Abstellen möchte man nur das Engelschoralgedöns, das erklingt, sobald auch nur ein Altarleuchter in Sicht kommt. „Shardlake“ ist - Kloster hin, Mönche her - gewiss kein Bibelfilm.

„Shardlake“, erste Staffel, vier Folgen, Buch: Stephen Butchard, Regie: Justin Chadwick, mit Arthur Hughes, Anthony Boyle, Ruby Ashbourne Serkis, Babou Ceesay, Sean Bean, Irfan Shamji, David Pearse, Miles Barrow, Brian Vernel, Paul Keye (ab 1. Mai bei Disney+)

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Author: Margart Wisoky

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